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Barbara Germann

Das Verhalten der Generation Z: Faulheit oder eine Anpassungsreaktion an die Leistungsgesellschaft?




«Wie bringt man diese Jungen zum Arbeiten? Arbeitgeber verzweifeln an der Generation Z». (Schmid, 2022)

«Fährt die Generation Z den Schweizer Wohlstand an die Wand?»(Pöschl & Meister, 2022).

Anzeigen wie diese kursieren in den Medien. Die junge Generation scheint arbeitsscheu zu sein und stellt gleichzeitig immer mehr Anforderungen an die Arbeitgeber. Zusätzlich sind die Jungen zunehmend gestresst. Die Prävalenzraten psychoaffektiver Beschwerden steigen (Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, 2020). Dies legt bei einigen Personen die Vermutung nahe, dass Jugendliche nicht nur faul, sondern auch nicht mehr belastbar sind. Ein Blick auf aktuelle Untersuchungen zeigt, dass dies ein Trugschluss ist.


Erkunden wir zuerst die Gründe für die erhöhte Belastung junger Menschen: Die vierte Juvenir-Studie untersuchte den Stress und Leistungsdruck bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Jacobs Foundation, 2015). Knapp die Hälfte der jungen Frauen und Männer in der Schweiz sind häufig gestresst, so die Ergebnisse. Der Ursprung der Belastungen liegt nicht im Privatleben, sondern in der Schule, Lehre, Studium und im Beruf. Den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist klar: «Wer etwas aus sich machen will, muss Gas geben.» Als Stressursachen werden Zeitknappheit, hohe Erwartungen an sich selbst und Sorgen um die berufliche Zukunft genannt. Dazu kommen die negativen Effekte, die viele Jugendliche durch die sozialen Medien und den erhöhten Smartphone-Gebrauch spüren (Abi-Jaoude et al., 2020). Dieses Bild widerspiegelt sich auch in den Schulbesuchen, die wir regelmässig durchführen. Viele Jugendliche berichten von getakteten Tagesabläufen, Druck, und Schlafproblemen. Um 6 Uhr aufstehen, Schule bis 17 Uhr, Abendessen, Training. – Zuhause sind viele erst um 9 Uhr abends. Nach den anstrengenden Aktivitäten fällt es schwer herunterzufahren und einzuschlafen. Am nächsten Tag geht es von vorne los.


Viele Schulen und ähnliche Institutionen reagieren auf diesen Stresszuwachs, in dem sie Schüler*innen Achtsamkeitsübungen und andere Massnahmen im Umgang mit Stress vermitteln. Auch die Autorinnen und Autoren der Juvenir-Studie empfehlen die psychische Widerstandskraft der Jugendlichen sowie ihre Sozialkompetenzen zu stärken. Gleichzeitig betont die Studie auch, dass viele junge Menschen bereits zahlreiche Coping-Mechanismen entwickelt haben. Sie nehmen sich bewusst Zeit für andere Aktivitäten und versuchen sich zu entspannen.


Doch Arbeitgeber:innen scheinen unter ebendiesen Aspekten zu leiden. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel der 20 Minuten (Pöschl & Meister, 2022) zitiert ein Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbandes: «Wenn die Arbeit ausnahmsweise mal bis ins Wochenende dauere, seien viele nicht bereit dazu.» Junge Erwachsene wollen nicht mehr alles dem Job unterordnen. Dies solle zum Problem für die Staatsfinanzierung werden. Doch diese Rechnung geht nicht auf: Stress führt zu Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Müdigkeit, bis hin zu psychischen Erkrankungen (u.a. Colten, 2017; Dorian & Garfinkel, 1987; Martin, 2016). Ebendiese kosten die Schweiz jährlich schätzungsweise 7 Milliarden Franken (Bundesamt für Gesundheit, 2022). Gestresste und kranke Mitarbeitende sind unproduktive Mitarbeitende und verursachen Kosten. Nicht umsonst werden Trends wie die 4-Tage-Woche zunehmend populärer.


Liegt der Ursprung des veränderten Arbeitsverhaltens junger Erwachsener also in ihrer Faulheit oder schlichtweg in einer fruchtbaren Anpassungsreaktion auf das zunehmend leistungsorientierte Umfeld? In der Entwicklungspsychologie wäre diese Frage in die Umwelt-Anlage-Debatte einzuordnen. Was ist wahrscheinlicher? Dass eine ganze Generation scheinbar grundlos arbeitsscheu und überempfindlich ist oder, dass der Anstieg psychischer Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen und deren Umgang damit kein Zeichen von Schwäche oder ein Mangel an moralischem Charakter ist, sondern ein Spiegelbild der sich verändernden Welt, in der sie leben.


Trotz dieser Herausforderungen steht die jüngere Generation der psychischen Gesundheit offener und proaktiver denn je gegenüber. Dies ist eine positive Entwicklung, da sie diejenigen, die Schwierigkeiten haben, ermutigt, Hilfe und Unterstützung zu suchen.


Es bringt langfristig niemandem etwas, sich über die junge Generation zu ärgern oder ständig nach Gründen für ihr verändertes Arbeitsverhalten zu suchen. Was etwas bringt, ist ein Verständnis füreinander, Nachsichtigkeit und eine offene Kommunikation über gegenseitige Erwartungen sowie das Suchen gemeinsamer Lösungswege.


Indem wir zusammenarbeiten können wir eine bessere Zukunft für alle Generationen schaffen. Wir können gemeinsam nach einer Welt streben, in der psychische Gesundheit höchste Priorität hat und in der sich alle unterstützt und verstanden fühlen. Und genau dafür setzten wir uns als Zeta Movement ein!




Quellen

Abi-Jaoude, E., Naylor, K. T., & Pignatiello, A. (2020). Smartphones, social media use and youth mental health. North Carolina medical journal, 192(6). https://doi.org/10.1503/cmaj.190434

Bundesamt für Gesundheit. (2022). Psychische Gesundheit und psychiatrische Versorgung. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/politische-auftraege-und-aktionsplaene/politische-auftraege-im-bereich-psychische-gesundheit.html

Colten, M. (2017). Adolescent stress: Causes and consequences. Routledge.

Dorian, B., & Garfinkel, P. E. (1987). Stress, immunity and illness—a review. Psychological Medicine, 17(2), 393-407. https://doi.org/10.1017/S0033291700024958

Jacobs Foundation. (2015). Juvenir-Studie 4.0. Zuviel Stress – zu viel Druck! Wie Schweizer Jugendliche mit Stress und Leistungsdruck umgehen. https://jacobsfoundation.org/wp-content/uploads/2017/07/Juvenir-4.0_Kurzfassung_DE_final.pdf

Martin, P. R. (2016). Stress and primary headache: review of the research and clinical management. Current pain and headache reports, 20(45). https://doi.org/10.1007/s11916-016-0576-6

Pöschl, F., & Meister, N. (2022, 26. Juli). Weniger arbeiten: Fährt die Generation Z den Schweizer Wohlstand an die Wand? 20 Minuten. https://www.20min.ch/story/faehrt-die-generation-z-den-schweizer-wohlstand-an-die-wand-251495185110

Schmid, B. (2022, 13. September). Wie bringt man diese Jungen zum Arbeiten? Arbeitgeber verzweifeln an der Generation Z. Neue Zürcher Zeitung.https://www.nzz.ch/feuilleton/quiet-quitting-die-generation-z-macht-arbeitgeber-ratlos-ld.1701823?reduced=true

Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (2020). Obsan Bericht 15/20220: Psychische Gesundheit in der Schweiz. Monitoring 2020. https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_15_2020_bericht_2.pdf


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