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Annette K.

End the stigma



Psychische Erkrankungen sind alles andere als selten. So zeigt beispielsweise die repräsentative Swiss Youth Epidemiological Study on Mental Health (S-YESMH; Werlen et al., 2020), dass bei knapp einem Drittel der jungen Frauen (30.7 %) und knapp ein Fünftel der jungen Männer (18.8 %) im Alter von 17 bis 21 Jahre Hinweise auf Angststörungen, Depression oder ADHS vorliegen. Laut neustem Obsan-Bericht waren 35% der Schweizer Bevölkerung in den letzten 12 Monaten von psychischen Problemen betroffen (Peter et al., 2023).


«Scham tötet mehr Leute als die Depression»

Dass vor dem Hintergrund dieser weiten Verbreitung in unserer Gesellschaft so wenig über psychische Erkrankungen gesprochen wird, erscheint nicht nur absurd, sondern geht auch mit ernsthaften Konsequenzen einher. So besteht ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Stigmatisierung und einer geringeren Inanspruchnahme von Hilfe sowie Unterversorgung von Menschen mit psychischen Problemen (Rüsch et al. 2005; Thornicroft, 2008). Erst vor kurzem sagte die depressionsbetroffene deutsche Schauspielerin Nora Tschirner diesbezüglich treffend: «Ich glaube, dass die Scham mehr Leute tötet als die Depression.»


"Stigma is 100% curable. Compassion, empathy and understanding are the antidote.”

Einer der vielversprechendsten Strategien zur Verringerung von Stigmatisierung und Diskriminierung gründet auf der sozialen-Kontakt-Hypothese (Pettigrew & Tropp, 2006). Sie postuliert, dass der direkte, persönliche Kontakt zwischen Mitgliedern der Allgemeinheit und Mitgliedern einer stigmatisierten Gruppe entscheidend zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung beiträgt. Stigmatisierung und die damit zusammenhänge Scham können nur so lange bestehen, wie Themen tabuisiert und verschwiegen werden. Die einzige Möglichkeit psychisches Leiden zu normalisieren und es als normale menschliche Erfahrungen anzusehen, ist, indem darüber gesprochen wird. So schreibt die amerikanische Autorin Brené Brown:


"Shame depends on me buying into the belief that I'm alone.

Shame needs three things to grow exponentially in our lives: secrecy, silence, and judgment. But if we can share our story with someone who responds with empathy and understanding, shame can’t survive.”


Wichtige Vorbilder

In der Diskussion rund um psychische Erkrankungen nehmen auch prominente Persönlichkeiten eine wichtige Rolle ein. Untersuchungen zeigen, dass die Offenlegung von psychischen Belastungen von Prominenten der gesellschaftlichen Stigmatisierung entgegenwirken können (Chung et al., 2019; Lee, 2019). Der Umstand, dass eine prominente, angesehene Person über ihre emotionalen Probleme spricht, diese offenlegt und trotzdem weiterhin als attraktiv und bewundernswert angesehen wird, kann Ängste vor den möglichen negativen Folgen einer Offenlegung vermindern.


Verschiedene Anti-Stigma-Kampagnen binden Prominente deshalb strategisch in ihre Kampagnen ein. So beispielsweise die US-Anti-Stigma-Kampagne # MyYoungerSelf, in der unzählige Schauspieler, Sportler und andere bekannte Persönlichkeiten über ihre emotionalen Probleme sprechen.



Ein eindrückliches Beispiel, wie kraftvoll das Offenlegen der eigenen Problematiken ist, zeigt auch ein Video des Supermodels Amber Valletta, die von einer Suchtproblematik betroffen ist.




Diese Beispiele zeigen vor allem eines: Verletzlichkeiten ans Licht zu bringen birgt die Chance uns als Menschen zu verbinden.



Literatur


Chung, K. F., Tse, S., Lee, C. T. & Chan, W. M. (2019). Changes in stigma experience among mental health service users over time: a qualitative study with focus groups. Community Mental Health Journal, 55, 1389–1394. https://doi.org/10.1007/s10597-019-00442-4


Lee, S. Y. (2019). The effect of media coverage of celebrities with panic disorder on the health behaviors of the public. Health Communication, 34, 1021–1031. https://doi.org/10.1080/10410236.2018.1452093


Pettigrew, T. F. & Tropp, L. R. (2006). A meta-analytic test of intergroup contact theory. Journal of personality and social psychology, 90(5), 751. https://doi.org/10.1037/0022-3514.90.5.751


Peter, C., Tuch, A. & Schuler, D. (2023). Psychische Gesundheit – Erhebung Herbst 2022. Wie geht es der Bevölkerung in der Schweiz? Sucht sie sich bei psychischen Problemen Hilfe? (Obsan Bericht 03/2023). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium


Thornicroft, G. (2008). Stigma and discrimination limit access to mental health care. Epidemiologia e Psichiatria Sociale, 17, 14–19. https://doi.org/10.1017/S1121189X00002621


Rüsch, N., Angermeyer, M. C. & Corrigan, P. W. (2005). The stigma of mental illness : concepts, forms, and consequences. Psychiatrische Praxis, 32, 221–232. https://doi.org/10.1055/s-2004-834566


Werlen, L., Puhan, M. A., Landolt, M. A. & Mohler-Kuo, M. (2020). Mind the treatment gap: the prevalence of common mental disorder symptoms, risky substance use and service utilization among young Swiss adults. BMC public health, 20(1), 1-10. https://doi.org/10.1186/s12889-020-09577-6



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